„Erste Hilfe für die Seele“.

Stefanie OberfeldStefanie Oberfeld

46 Jahre,
ehrenamtliche Koordinatorin
der Notfallbegleitung in Münster,
Ärztin, Regionalverbandsärztin.
Seit 1982 bei der JUH.

„Es war ein ungewöhnlich intensiver Einsatz“, erinnert sich Dr. Stefanie Oberfeld – die sich ehrenamtlich bei den Johannitern in Münster in der Notfallbegleitung engagiert – an den Septembertag im letzten Jahr zurück. Ein tragisches Unglück schockierte Zoobesucher und Mitarbeiter des Allwetterzoos in Münster gleichermaßen: der Tiger Rasputin hatte seinen Pfleger angegriffen und tödlich verletzt. „Nachdem uns die Rettungskräfte alarmiert hatten, waren wir sehr schnell zur Stelle“, erzählt Stefanie Oberfeld weiter. „Das Wichtigste in dieser Situation war es zunächst, einen Rückzugsort für die Betroffenen zu schaffen und ihnen die Möglichkeit zum Gespräch zu bieten.“

Seit dem Jahr 2000 sind Ehrenamtliche der Notfallbegleitung in Münster zur Stelle, wenn Angehörige oder Freunde von Verstorbenen sowie die eigenen Rettungskräfte ihre Hilfe benötigen. Das Projekt ist damals durch einen Zusammenschluss der vier Hilfsorganisationen ASB, DRK, Malteser und Johanniter, der evangelischen und katholischen Kirche, von Polizei und Feuerwehr sowie der „Gemeinsamen Elterninitiative gegen den plötzlichen Säuglingstod“ entstanden. Die Notfallbegleiter werden von der Feuerwehr oder der Polizei gerufen und stehen den Betroffenen in Akutsituationen – wie einem plötzlichen Sterbefall, Unfällen mit Toten und Schwerverletzten oder auch bei der Vermisstensuche – zur Seite.

Verzweiflung muss man aushalten
Keine leichte Aufgabe, für die man einiges aushalten können muss. Trauer, Wut und Verzweiflung sind die Gefährten der Notfallbegleiter. „Natürlich berühren mich die Erlebnisse, aber ich kann sie an meiner Haustür ablegen“, beschreibt Stefanie Oberfeld, eine von sieben Koordinatoren, ihren Umgang mit den oft sehr tragischen Ereignissen. „Das muss man auch können, weil eine professionelle Distanz für meine Arbeit unerlässlich ist.“ Denn die Betroffenen benötigen jemanden, der ihre Trauer und Verzweiflung aushält, auch wenn diese mal in Wut umschlägt. „Ich mache das ehrenamtlich, weil ich weiß, wie wichtig es für Betroffene sein kann, dass jemand ein offenes Ohr für ihre Sorgen und Ängste hat“, ergänzt Stefanie Oberfeld, die sonst als Oberärztin im Gerontopsychatrischen Zentrum der Alexianer-Tagespflege in Münster arbeitet. „Wir bleiben deshalb auch noch da, wenn alle anderen wieder abgerückt sind.“

Für Stefanie Oberfeld ist diese Aufgabe eine wirkliche Herzensangelegenheit: „Es gibt einige, die finden es bekloppt, dass ich mich so engagiere. Aber für mich ist Ehrenamt eine Selbstverständlichkeit.“ Eine Selbstverständlichkeit, die die ein oder andere Freizeitstunde in Anspruch nimmt. „Etwa alle fünf Wochen habe ich eine Woche – 24 Stunden am Tag – Bereitschaft und übernehme den Hintergrunddienst“, erklärt Stefanie Oberfeld ihre Aufgaben in der Notfallbegleitung. Sie war auch eine der Initiatoren, die das Bündnis ins Leben gerufen hat: „Ich kannte so ein ähnliches Projekt bereits aus Bielefeld und war ganz begeistert von der Idee.“

Ehrenamt ist keine Heldentat
Seitdem verbringt sie viele Stunden mit der Koordination des Teams, mit Vorbereitungen und der Durchführung von Seminaren. Ihr Motto: „Eine Gesellschaft kann nur existieren, wenn jeder auch etwas zurück gibt.“ Und diese Überzeugung und vor allem auch ihren Tatendrang spürt man in all ihren Erzählungen. Das vielseitige ehrenamtliche Engagement ist dabei ihre Art der Freizeitgestaltung.

Zeit nur für sich ganz allein bleibt da oft nur wenig. „Ich kann mich Stefanie Oberfeld aber auch mit einem Buch auf die Terrasse setzen“, lacht Stefanie Oberfeld auf die Frage, ob sie auch mal etwas nur für sich alleine macht. Die Auffassung, das Ehrenamt altruistisch – also uneigennützig und selbstlos – ist und quasi eine Heldentat, kann sie nicht teilen: „Ich profitiere ebenfalls von meinen Tätigkeiten. Ich lerne viel, schließe neue Freundschaften, kann mich mit anderen austauschen und habe auch noch eine Menge Freude dabei.“

Seit 2000 – bis auf eine kurze Unterbrechung – ist Stefanie Oberfeld als Sprecherin für die Notfallbegleitung verantwortlich. „Das Team ist sehr gemischt und bringt ganz unterschiedliche Voraussetzungen mit“, so die Ärztin. Die Ausbildung ist aber für alle gleich: neben psychologischen Inhalten, lernen die Teilnehmer Gesprächsführung und vor allem auch den Umgang mit Tod, Sterben und Trauer. Mindestens 25 Jahre müssen die Ehrenamtlichen sein und sollten erste Erfahrungen im sozialen Bereich mitbringen. „Die Berufsausbildung ist für uns aber nicht ausschlaggebend. Wichtiger ist die Motivation und vor allem Empathie“, erläutert Stefanie Oberfeld die Voraussetzungen für einen Notfallbegleiter. „Momentan sind wir 20 Ehrenamtliche im Team; es können aber gerne noch mehr werden.“ Denn mit etwa 45 Einsätzen pro Jahr gibt es genug zu tun.

Fast eine Woche lang begleitete Stefanie Oberfeld die Mitarbeiter des Münsteraner Zoos. „Das war schon etwas sehr Besonderes“, erinnert sie sich zurück. Normalerweise dauern die Einsätze der Notfallbegleiter nur wenige Stunden, denn sie stehen den Betroffenen lediglich in der Akutphase zur Seite. „Wir leisten Erste Hilfe für die Seele und ebnen den Weg für weitere Unterstützung“, so die Oberärztin. „Danach sind dann andere dran.“